3 Qualitätssicherung in den DMP

Disease Management Programme sind Qualitätsprogramme. Sie verfolgen das Ziel, die Versorgung chronisch kranker Patienten kontinuierlich und nachweisbar zu verbessern. Die Gemeinsame Einrichtung DMP Bayern bzw. die Gemeinsame Einrichtung DMP Brustkrebs Bayern sind für die arztbezogene Qualitätssicherung im Rahmen der DMP zuständig. Die Qualitätssicherung unterstützt die Ärzte dabei, dass die zentralen Intentionen, die mit den strukturierten Behandlungsprogrammen verbunden sind, auch tatsächlich umgesetzt werden. Denn die Gemeinsamen Einrichtungen sind der Überzeugung, dass ein strukturiertes Behandlungsprogramm nur so gut sein kann, wie es gelebt wird. Unser großes Anliegen ist es, die über 10.000 am DMP teilnehmenden Ärzte bei ihrem praxiseigenen Qualitätsmanagement zu unterstützen. Der Anspruch ist, dass die Teilnahme an einem DMP für den Arzt einen tatsächlichen Nutzen bringt, der wiederum auch für die Patienten spürbar ist.

3.1 Maßnahmen zur Verbesserung der Versorgungsqualität

In der öffentlichen Diskussion wird häufig die Frage gestellt, ob die Versorgungsqualität im Rahmen des DMP der Regelversorgung überlegen ist. Mehrere Studien haben versucht, diese Frage durch den Vergleich von Patienten mit und ohne Teilnahme am DMP zu beantworten [46]. Obwohl solche Studien sehr interessant sind, ist die Frage nicht ohne Schwierigkeiten zu beantworten. Zum Einen unterscheiden sich DMP-Patienten wesentlich von Patienten der Regelversorgung, sodass ein Vergleich auf gleicher Basis nicht möglich ist (siehe dazu Qualitätsbericht 2013, Kapitel 5 “DMP im Kontext der Regelversorgung” [7]). Zum Anderen ist zu vermuten, dass die im Rahmen der DMP eingeführten Maßnahmen auch indirekt die Versorgung der Patienten ohne DMP-Teilnahme positiv beeinflussen. Die ärztliche Fortbildungspflicht und regelmäßige Feedbackberichte fördern zum Beispiel eine leitlinienorientierte Therapie bei allen Patienten.

Aus diesem Grund soll der Erfolg der DMP in erster Linie daran gemessen werden, inwiefern es gelingt, ein lebendiges Qualitätsmanagement zu etablieren, das in einer messbaren Verbesserung der Versorgungsqualität resultiert. Im Folgenden wird gezeigt, wie dieses Ziel im Rahmen der ärztlichen Qualitätssicherung verfolgt wird.

Die wichtigste Datengrundlage für die Entwicklung von Qualitätsmaßnahmen bilden die DMP-Dokumentationen der Ärzte. Um eine hohe Datenqualität zu erhalten, dürfen daraus keine Maßnahmen abgeleitet werden, die den Arzt zu einer selektiven Einschreibung oder einer ungenauen Dokumentation verleiten. Eine effektive Qualitätssicherung verlangt, dass Qualitätsziele nicht als externes Kontrollinstrument etabliert werden, sondern als Tool für das praxisinterne Qualitätsmanagement [8,9]. Dabei sollen unterstützende Maßnahmen konzipiert werden, die den Ärzten helfen, ihr eigenes Ziel zu erreichen, nämlich eine optimale Behandlung der Patienten [10].

Werden Mängel aufgedeckt, so haben die Gemeinsamen Einrichtungen die Aufgabe, Maßnahmen für deren Behebung zu konzipieren und einzuführen. In diesem Kapitel werden die wichtigsten DMP-übergreifenden Maßnahmen und Instrumente beschrieben, nämlich die DMP-Dokumentation als Grundlage für die Qualitätssicherung (Abschnitt 3.2), der praxisindividuelle Feedbackbericht (Abschnitt 3.4) und die Fortbildungspflicht für Ärzte (Abschnitt 3.5).

3.2 Die DMP-Dokumentation

Der koordinierende Arzt erstellt quartalsweise oder halbjährlich eine strukturierte Dokumentation, die in Bayern seit Beginn der DMP elektronisch gestaltet wurde. Diese Dokumentation des Behandlungsablaufs ist eine wesentliche Komponente der DMP, da sie eine bisher nicht vorhandene Transparenz schafft und so eine Auseinandersetzung mit der gemessenen Versorgungssituation ermöglicht. In diesem Zusammenhang beschreibt ein Gutachten von Lauterbach et al. (2001) die Funktion und den Stellenwert von Daten wie folgt [11]:

Disease Management ist ein informations- und datengetriebener Ansatz zur systematischen Verbesserung der Versorgungsqualität chronisch Kranker. Für den Erfolg eines Disease Management Programms ist es von entscheidender Bedeutung, dass relevante Daten zeitnah zur Verfügung gestellt werden, auf deren Basis ein effektiver und effizienter Ressourceneinsatz in der Behandlung chronisch Kranker erfolgen kann. Für das Disease Management können Daten daher als “strategisches Gut” betrachtet werden [12]. Auf Grundlage einer systematischen und standardisierten Dokumentation ermöglicht ein effektives und effizientes Datenmanagement Bereiche von Über-, Unter- und Fehlversorgung in der Versorgung chronisch Kranker, insbesondere auch im Arzneimittelbereich, zu identifizieren und abzubauen.

Die gesamten DMP-Dokumentationsdaten werden im Laufe der Patientenbehandlungen durch über 7.500 Arztpraxen erhoben. Dadurch entsteht eine umfassende Datenbasis für die Qualitätssicherung: Bis zum Ende 2016 lagen knapp 35 Millionen Dokumentationen für über 1,6 Millionen Patienten vor. Die aussagekräftige Auswertung dieser Daten stellt große Herausforderungen dar und erfordert eine enge interdisziplinäre Betrachtung der datentechnischen, statistischen und medizinischen Aspekte.

Die durch die Gemeinsamen Einrichtungen durchgeführten Auswertungen können in drei Gruppen unterteilt werden:

  1. Deskriptive Statistiken über die Teilnehmerzahlen und das Patientenkollektiv (Kapitel 4)

  2. Benchmarking im Rahmen des ärztlichen Feedbackberichts siehe dazu die Auswertung der Qualitätsziele in den Kapiteln 12 bis 17 dieses Berichtes)

  3. Detaillierte Analysen der Versorgungssituation mit dem Ziel, konkrete und zuverlässige Aussagen zu machen und die Entwicklung von geeigneten Maßnahmen zu ermöglichen

3.2.1 Datenqualität

Anders als in einer klinischen Studie können die DMP-Dokumentationsdaten nicht kontrolliert erhoben werden. Der Preis für eine große und flächendeckende Datenbasis ist also eine größere Unsicherheit der Datenqualität. In dieser Hinsicht sind die DMP-Daten nicht mit den Daten klinischer Studien vergleichbar: Die Dokumentationsdaten haben einen anderen Charakter und einen anderen Nutzen, nämlich die Untersuchung der alltäglichen Versorgung chronisch kranker Patienten. Voraussetzung für eine aussagefähige Analyse von solchen Routinedaten ist deshalb ein Verständnis für die Möglichkeiten und Grenzen der zugrunde liegenden Daten [1315]. Besonderes Augenmerk gilt daher dem Dokumentationsverhalten der Praxen, der Genauigkeit der Daten sowie möglichen Missverständnissen, die bei der Datenerhebung vorkommen könnten. So wird vermieden, dass ungeeignete Auswertungen zu falschen Aussagen führen.

Die bayerischen DMP-Dokumentationsdaten werden seit mehr als zehn Jahren intensiv ausgewertet. Unsere Erfahrung zeigt, dass diese Daten als Grundlage für die Versorgungsforschung durchaus von Nutzen sind. In den jährlichen Qualitätsberichten sowie in mehreren wissenschaftlichen Artikeln konnten zuverlässige Erkenntnisse gewonnen werden. Wie bei allen Quellen der Routinedaten ist jedoch eine sorgfältige und kritische Analyse erforderlich, um zwischen Versorgungsrealität und Datenartefakten unterscheiden zu können.

3.3 Qualitätsziele im DMP

Von großer Bedeutung sind die im DMP-Vertrag vereinbarten Qualitätsziele, die halbjährlich (für das DMP Brustkrebs jährlich) im Rahmen der ärztlichen Feedbackberichte praxisindividuell ausgewertet werden. Entscheidend für die Akzeptanz dieses Instruments ist, dass die im Feedbackbericht dargestellten Statistiken mit den tatsächlich in der Behandlung erzielten Ergebnissen übereinstimmen. Deshalb haben die Gemeinsamen Einrichtungen DMP Bayern alle DMP-Qualitätsziele gründlich untersucht. Das Ergebnis ist in den Kapiteln 12 bis 17 dokumentiert.

Für die Evaluation der Indikatoren wurden insbesondere folgende Aspekte berücksichtigt:

  • Die Definition des Indikators wird in Bezug auf die Dokumentationsdaten überprüft. Bei manchen Indikatoren bestehen Mehrdeutigkeiten und/oder Ungenauigkeiten, die dazu führen, dass die Qualitätsindikatoren unscharf sind.

  • Die Implementierung des Berechnungsalgorithmus wird überprüft und bei Bedarf durch eine eigene unabhängige Auswertung validiert. Auf diese Weise werden sowohl Softwarefehler als auch Probleme bei der Definition der Qualitätsziele ersichtlich.

  • Ungewöhnliche Entwicklungen bei dem Ergebnis im Zeitverlauf deuten oft auf eine relevante Anpassung der Spezifikation, zum Beispiel durch Anpassung der DMP-Dokumentation oder des Berechnungsalgorithmus hin. Es ist von entscheidender Bedeutung, solche systembedingten Verschiebungen als solche zu erkennen.

  • Die Verteilung der Praxen bezüglich der Qualitätsziele gibt Aufschluss darüber, ob systematische Ursachen für unterschiedliche Ergebnisse der Praxen existieren. Multimodale Verteilungen und/oder eine sehr breite Streuung deuten mögliche Probleme oder systematische Versorgungsunterschiede an, die eine nähere Analyse erforderlich machen.

  • Die Ergebnisse werden mit anderen Veröffentlichungen verglichen. Geeignet ist zum Beispiel der Qualitätssicherungsbericht DMP in Nordrhein [16] oder die Ergebnisse der DPV-Initiative,1 die den bayerischen DMP im Aufbau und in der Zielsetzung sehr ähnlich sind.

  • Es werden weitere Datenquellen einbezogen, die die DMP-Dokumentationsdaten validieren und ergänzen können.

Diese umfassende Betrachtung der Qualitätsindikatoren hat es ermöglicht, die Güte der DMP-Qualitätsziele einzuschätzen. Durch eine enge Zusammenarbeit mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung tragen die bayerischen Gemeinsamen Einrichtungen zu einer kontinuierlichen Weiterentwicklung der bundesweiten DMP bei. Ziel ist es, die ärztlichen Feedbackberichte als zuverlässiges Tool für das Qualitätsmanagement der einzelnen Arztpraxen zu etablieren.

3.4 Feedback für Ärzte

Wichtigstes Instrument der Gemeinsamen Einrichtungen ist der Feedbackbericht für die Ärzte. Dieser wird mit Hilfe des Rückmeldesystems der Kassenärztlichen Bundesvereinigung erstellt. Die aktuellen Muster-Feedbackberichte der Gemeinsamen Einrichtung DMP Bayern sind im Internet unter http://www.ge-dmp-bayern.de frei zugänglich. Dieser Bericht wird für die DMP Diabetes mellitus Typ 1, Diabetes mellitus Typ 2, Koronare Herzkrankheit, Asthma und COPD halbjährlich, für das DMP Brustkrebs jährlich erstellt und den Ärzten im Mitgliederportal der KVB bereitgestellt. Auf Wunsch wird weiterhin auch ein Druckexemplar per Post versendet.

Im Feedbackbericht werden alle relevanten Daten ausgewertet. Der Arzt erkennt, ob er die Qualitätsziele erreicht hat und wie er im Vergleich zum Durchschnitt aller bayerischen DMP-Praxen liegt. Im Anhang sind die DMP-Fallnummern von kritischen Patienten aufgelistet, bei denen potentiell Handlungsbedarf besteht, zum Beispiel bei fehlender Überweisung zum Augenarzt oder zum Fußspezialisten in den DMP Diabetes mellitus. Die Gemeinsame Einrichtung DMP Bayern hat jedes Ziel oder Themengebiet mit einem Hinweis versehen, der die relevante Leitlinie erläutert und auf einen möglichen Handlungsbedarf hinweist. So kann der Arzt die Qualität seiner Behandlung prüfen und gezielt auf die Ergebnisse reagieren. Der Feedbackbericht wird somit zu einem hilfreichen Instrument für die Erreichung der Qualitätsziele.

Der Bericht dient als Hilfsmittel zur Selbstkontrolle: Die Interpretation und das Ableiten von Maßnahmen bleibt in der Verantwortung des Arztes. Unter Berücksichtigung von Praxis- und Patientenbesonderheiten hat der Arzt zu entscheiden, ob und wo Handlungsbedarf in seiner Praxis besteht. Wird ein Qualitätsziel auf Praxisebene nicht erreicht, kann dies auch aus Gründen erfolgen, die vom Arzt nicht zu vertreten sind (zum Beispiel aufgrund der Patientenstruktur der Praxis).

Die Gemeinsame Einrichtung setzt sich für eine kontinuierliche Verbesserung der DMP-Feedbackberichte ein. Sowohl hinsichtlich der Darstellung als auch hinsichtlich der Gestaltung und Inhalte der Berichte hat sie eine Vielzahl von Optimierungen umgesetzt und zur Weiterentwicklung der Berichte auf Bundesebene beigetragen. In diesem Sinne wird im Abschnitt 10.2 dieses Berichtes das Problem der praxisbezogenen Bewertung der Qualitätsziele diskutiert und ein Vorschlag für ein statistisch fundiertes Vorgehen gemacht.

3.5 Ärztliche Fortbildungspflicht

Zu den grundlegenden Qualitätsmaßnahmen im DMP gehört die Pflicht zur regelmäßigen Fortbildung für alle teilnehmenden Ärzte. Nur so kann ein zentrales Ziel der DMP sichergestellt werden: eine Behandlung nach dem aktuellsten Stand der Evidenz. Teilnehmende Ärzte müssen jährlich (bzw. bei Asthma und COPD dreijährlich) gegenüber der KVB nachweisen können, dass sie an einem anerkannten Fortbildung teilgenommen haben.

Literatur

4 Szecsenyi J, Miksch A, Ose D, Heiderhoff M. Evaluation des DMP Diabetes mellitus Typ 2 im Rahmen der ELSID-Studie: Abschlussbericht für den AOK-Bundesverband. Heidelberg: Abteilung Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, Universitätsklinikum Heidelberg, 2012 http://www.aok-gesundheitspartner.de/bund/dmp/evaluation/elsid/index.html

6 Fuchs S, Henschke C, Blümel M, Busse R. Disease management programs for type 2 diabetes in Germany-a systematic literature review evaluating effectiveness. Deutsches Aerzteblatt Online 2014; 111: 453–463 http://www.aerzteblatt.de/10.3238/arztebl.2014.0453

7 Qualitätsbericht 2013: Disease-Management-Programme in Bayern. München: Gemeinsame Einrichtung DMP Bayern, 2014 http://www.ge-dmp-bayern.de

8 Marshall M, Harrison S. Its About More Than Money: Financial Incentives and Internal Motivation. Quality and Safety in Health Care 2005; 14: 4–5 http://qualitysafety.bmj.com/content/14/1/4.full

9 Lilford R, Mohammed MA, Spiegelhalter D, Thomson R. Use and misuse of process and outcome data in managing performance of acute medical care: avoiding institutional stigma. The Lancet 2004; 363: 1147–1154 http://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(04)15901-1/fulltext

10 Schneider A, Broge B, Szecsenyi J. Müssen wir messen, um (noch) besser werden zu können? Die Bedeutung von Qualitätsindikatoren in strukturierten Behandlungsprogrammen und Qualitätsmanagement. Z Allg Med 2003; 79: 54752 https://www.thieme-connect.com/ejournals/abstract/zfa/doi/10.1055/s-2003-44772

11 Lauterbach KW, Stock S, Redaèlli M, Kühn M, Lüngen M. Disease Management in DeutschlandVoraussetzungen, Rahmenbedingungen, Faktoren zur Entwicklung, Implementierung und Evaluation. Köln: Institut für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie der Universität zu Köln, 2001 http://www.uk-koeln.de/kai/igmg/guta/GutachtenDMP.pdf

12 Espinosa AL. Availability of health data: requirements and solutions. International Journal of Medical Informatics 1998; 49: 97–104 http://www.ijmijournal.com/article/S1386-5056(98)00016-1/

13 Rector AL. Clinical terminology: Why is it so hard. In: Methods of Information in Medicine. 1999: 239252 http://www.schattauer.de/en/magazine/subject-areas/journals-a-z/methods/contents/archive/issue/715/manuscript/79.html

15 Hand DJ. Statistical challenges of administrative and transaction data. Journal of the Royal Statistical Society, Series A 2017; http://www.rss.org.uk/Images/PDF/publications/2017/Hand-15-Nov.-17.pdf

16 Hagen B, Altenhofen L, Groos S, Kretschmann J, Weber A. Qualitätssicherungsbericht 2011 Disease-Management-Programme in Nordrhein. Düsseldorf: Nordrheinische Gemeinsame Einrichtung, 2011 http://www.kvno.de/downloads/quali/qualbe_dmp11.pdf


  1. DPV ist ein Dokumentationsprogramm für Patienten mit Diabetes. Siehe http://www.d-p-v.eu