1 Zusammenfassung

Disease Management Programme (DMP) sind Qualitätsprogramme. Sie verfolgen das Ziel, den Gesundheitszustand chronisch kranker Patienten kontinuierlich und nachweisbar zu verbessern. In Bayern nehmen über 900.000 Patienten an einem oder mehreren DMP teil, davon ca. 550.000 Patienten am DMP Diabetes mellitus Typ 2. Somit haben diese strukturierten Behandlungsprogramme eine erhebliche Bedeutung für die Sicherung einer qualitativ hochwertigen Gesundheitsversorgung in Bayern.

Aufgabe der Gemeinsamen Einrichtung DMP Bayern bzw. der Gemeinsamen Einrichtung DMP Brustkrebs Bayern ist es, die über 10.000 am DMP teilnehmenden Ärzte in Bayern bei ihrem praxiseigenen Qualitätsmanagement zu unterstützen. Der Anspruch ist, dass die Teilnahme an einem DMP für den Arzt einen tatsächlichen Nutzen bringt, der wiederum auch für die Patienten spürbar ist.

Das Ziel einer kontinuierlichen Verbesserung der Versorgungsqualität verfolgen die Gemeinsamen Einrichtungen DMP Bayern in erster Linie durch die Analyse von Versorgungsdaten und die gezielte Kommunikation der Ergebnisse an die teilnehmenden Ärzte, an die Vertragspartner in Bayern und an die DMP-Verantwortlichen auf Bundesebene. Sie stellen so eine objektive Grundlage für ein sich stetig fortentwickelndes Qualitätsmanagement und eine bedarfsorientierte Weiterentwicklung der Programme dar. Denn die Gemeinsamen Einrichtungen sind der Ansicht, dass eine Qualitätsverbesserung nur durch einen verantwortungsvollen Umgang mit den vorliegenden Daten möglich ist. Die am DMP beteiligten Institutionen und Ärzte haben zu prüfen, welche konkreten Maßnahmen erforderlich sind.

Schwerpunktthema: Entwicklung der Diabetesversorgung

Als Schwerpunktthema dieses Berichts werden unterschiedliche Aspekte der Diabetesversorgung im Zeitverlauf betrachtet. Dadurch entsteht ein differenziertes Bild der aktuellen Versorgungssituation, das den Erfolg der bestehenden Qualitätsmaßnahmen misst und den vorliegenden Handlungsbedarf beleuchtet.

Strukturqualität im DMP Diabetes mellitus Typ 1

Als erstes Thema wird die Strukturqualität im DMP Diabetes mellitus Typ 1 analysiert. Im Gegensatz zu den anderen internistischen DMP soll die Betreuung der Patienten nicht durch den Hausarzt erfolgen, sondern durch einen besonders qualifizierten Arzt in einer diabetologischen Schwerpunktpraxis (DSP). Die Prüfung dieser Strukturqualität ergibt, dass 99 % der Kinder und Jugendlichen und 88 % der Erwachsenen durch einen entsprechenden Arzt koordiniert werden. Etwa 93 % der Erwachsenen werden im Laufe eines Jahres durch eine DSP behandelt. Die Analyse zeigt, dass die Koordination vor allem in ländlichen Bereichen und bei älteren Patienten durch einen Hausarzt ohne DSP-Anerkennung erfolgt. Die DMP-Anforderung wird somit weitestgehend erfüllt. Dennoch steht zur Diskussion, ob und wie Hausärzte in ländlichen Regionen bei der Betreuung von Patienten mit Typ-1-Diabetes besser unterstützt werden können.

Verbesserte Kontrolle des Blutzuckers

Das zweite Thema fasst eine bemerkenswerte Entwicklung der Qualitätsziele in den DMP Diabetes mellitus Typ 1 und Typ 2 zusammen: Immer mehr Patienten erreichen eine gute Kontrolle ihrer langfristigen Blutzuckerwerte (\(HbA_{1c}\)). Gleichzeitig bleibt die Häufigkeit von notfallmäßigen Ereignissen bei Typ-2-Diabetes auf einem sehr niedrigen Niveau, bei Typ-1-Diabetes ist eine merkbare Reduzierung der Häufigkeit zu beobachten. Die im DMP beobachteten Indikatoren belegen so aus unterschiedlichen Perspektiven eine durchaus positive Entwicklung der Versorgungssituation, die sowohl als Folge einer zunehmenden Leitliniencompliance als auch als Folge des medizinischen Fortschritts zu betrachten ist.

Kontrolluntersuchungen

Ein zentrales Ziel der DMP Diabetes mellitus Typ 1 und Typ 2 ist die Erhöhung des Anteils an Patienten, welche alle empfohlenen Regeluntersuchungen durchführen. Denn eine frühzeitige Behandlung von diabetischen Komplikationen hat eine entscheidende Bedeutung für die Vermeidung von schwerwiegenden Folgeschäden wie Amputation, Erblindung oder auch kardiovaskuläre Ereignisse. Bereits im Qualitätsbericht für das Jahr 2010 konnte die Gemeinsame Einrichtung DMP Bayern eindeutig feststellen, dass zu wenige Patienten eine jährliche Netzhautuntersuchung beim Augenarzt in Anspruch nahmen. In den vergangenen Jahren konnte keine Verbesserung erreicht werden: Im Gegenteil, der Anteil an Patienten im DMP Diabetes mellitus Typ 2 mit jährlichen Augenarztuntersuchung ist im Jahr 2016 auf 62,9 % leicht gefallen. Auch wenn ein zweijähriges Screeningintervall zugrunde gelegt wird, beträgt der Anteil nur 73,8 %.

Die jährliche Fußinspektion dient der Erkennung des diabetischen Fußsyndroms. Denn diabetesbedingte Durchblutungs- und Sensitivitätsstörungen begünstigen die Entwicklung von schwer heilbaren Wunden an den Füßen von Diabetespatienten. Die rasche Einleitung einer interdisziplinären spezialisierten Behandlung kann in den allermeisten Fällen eine Verschlechterung des Zustands bis hin zur Amputation verhindern. Im Jahr 2016 war die Durchführung der Fußinspektion bei 85,9 % der Patienten im DMP Diabetes mellitus Typ 2 dokumentiert. Der Zielwert von mindestens 90 % wurde somit verfehlt. Unter Patienten mit auffälligem Fußstatus wird eine Überweisung zu einer diabetologischen Schwerpunktpraxis immer häufiger ausgestellt: Im Jahr 2016 lag die Quote bei 51,6 %, wesentlich höher als das Ergebnis von 31,9 % im Jahr 2005. Bei Patienten mit tiefem Ulkus und/oder Infektion wurden sogar 64,5 % überwiesen (2005: 39,9 %). Die Auswertung der DMP-Dokumentationsdaten deutet in dieser Hinsicht auf eine Verbesserung der Versorgungssituation hin. Insgesamt besteht aber Handlungsbedarf, um die im DMP verankerten Qualitätsziele erreichen zu können.

Amputationshäufigkeit

Diabetes mellitus ist die häufigste Ursache einer Fuß- oder Beinamputation. Aktuelle Studien, auch auf Grundlage der DMP-Dokumentationsdaten, legen jedoch nahe, dass die Amputationshäufigkeit in Deutschland rückläufig ist. Die Gemeinsame Einrichtung DMP Bayern hat Daten des statistischen Bundesamtes ausgewertet, um die Entwicklung der Amputationsrate auf Kreisebene in Bayern im Zeitraum 2005 bis 2015 genauer zu untersuchen. Durchaus positiv ist ein deutlicher Rückgang der Rate an Majoramputation (d. h. oberhalb der Knöchelregion) in beinahe jedem bayerischen Kreis. Adjustiert für die steigende Diabetesprävalenz weist auch die Rate an Minoramputationen einen leichten Rückgang auf. An dieser Stelle sind jedoch erhebliche Unterschiede zwischen den bayerischen Kreisen zu finden, die auf ein mögliches Potenzial für eine weitere Reduktion der Amputationsrate hindeuten. Die Ergebnisse dienen somit als Anstoß für eine genauere Überprüfung des Themas einschließlich der Ableitung von gezielten Maßnahmen. Die an dieser Stelle unerklärte regionale Variation sollte beispielsweise im Rahmen von ärztlichen Qualitätszirkeln thematisiert werden.

Auswertung der Qualitätsziele

Nicht zuletzt werden die 61 im DMP vereinbarten Qualitätsziele systematisch ausgewertet und kommentiert. Die Darstellung der zeitlichen Entwicklung in Bayern sowie der Verteilung der Ergebnisse unter den Praxen liefert wichtigen Kontext für die Bewertung der Ergebnisse. Auffälligkeiten werden genauer untersucht, um zum Beispiel zwischen Versorgungsrealität und Artefakten der periodisch angepassten Dokumentation unterscheiden zu können. Somit entsteht ein zuverlässiges Referenzwerk für die Interpretation und Verwertung der Qualitätsziele.

Im Rahmen der Auswertung der Qualitätsziele wird eine innovative Methodik für die Bewertung der Ergebnisse auf Praxisebene vorgestellt und erprobt. Das verwendete Ampelsystem lenkt die Aufmerksamkeit der Ärzte in geeigneter Weise auf Indikatoren mit Handlungsbedarf und vermeidet die oft ungerechtfertigte Fokussierung auf die Aussage “Ziel erreicht” oder “Ziel nicht erreicht”. Ein solches Verfahren könnte zukünftig zu einer weiteren Optimierung des ärztlichen Feedbacks im DMP führen.

Fazit

Der vorliegende Qualitätsbericht bietet den bayerischen Patienten, Ärzten und Vertragspartnern ein hohes Maß an Transparenz über die Versorgung der am DMP teilnehmenden Patienten. Gleichwohl versteht er sich als Beitrag zur Weiterentwicklung der Programme, sowohl in Bayern als auch auf Bundesebene.

Der DMP-Plattformvertrag und die Diabetesvereinbarung sichern einerseits eine spezialisierte Versorgung durch über 300 diabetologische Schwerpunktpraxen, die sowohl bei der Behandlung des diabetischen Fußsyndroms als auch bei der Betreuung von Patienten mit Typ-1-Diabetes eine zentrale Rolle spielen. Andererseits unterstützen diese Verträge über 6.000 bayerische Arztpraxen bei der Behandlung von chronisch kranken und oft multimorbiden Menschen. Denn Disease Management Programme unterscheiden sich von Strukturverträgen oder Verträgen der integrierten Versorgung, in dem ein systematisches, datengestütztes Qualitätsmanagement als dauerhafter Bestandteil der Programme verankert ist. Die vom Gemeinsamen Bundesausschuss vorgegebenen Inhalte fördern die Behandlung gemäß der bestverfügbaren Evidenz und die erhobenen Daten ermöglichen die aktive Verbesserung der Versorgungsqualität. Der vorliegende Bericht ist als Ausdruck dieses Qualitätsmanagements zu verstehen.

Die vorgestellten Analysen belegen insgesamt eine sehr gute und immer besser werdende Versorgung. Besonders hervorzuheben ist die beobachtete Reduktion der Amputationsrate sowie die Verbesserung der \(HbA_{1c}\)-Einstellung. Es werden aber auch Aspekte identifiziert, die weiter verbessert werden sollten. Vor allem bei der Durchführung der regelmäßigen Kontrolluntersuchungen und bei der Behandlung des diabetischen Fußsyndroms sind seitens der Vertragspartner und der behandelnden Ärzte gezielte Maßnahmen in Erwägung zu ziehen.

Ausblick

Die auf Bundesebene anvisierte Einführung von weiteren DMP – an erster Stelle für Patienten mit einer chronischen Herzinsuffizienz – stellt neue Herausforderungen für das Qualitätsmanagement im DMP dar. Gleichzeitig werden die bestehenden Programme weiterentwickelt. Besonders zu begrüßen ist der neue Fokus auf die Nachsorge im Rahmen des DMP Brustkrebs, der Oktober 2018 in Kraft treten soll. Die entsprechend angepassten Qualitätsziele erhöhen die Relevanz des Programms für den ambulanten Bereich und sollen so die Akzeptanz der Programme und des ärztlichen Feedbacks erhöhen. Die Gemeinsamen Einrichtungen DMP Bayern werden diese Entwicklungen begleiten, um eine optimale Umsetzung der DMP in Bayern zu gewährleisten.