6 Zugang und Inanspruchnahme einer spezialisierten Diabetesversorgung

In Bayern leben rund eine Millionen Menschen mit der Diagnose Diabetes mellitus. Die große Mehrheit dieser Patienten wird in erster Linie durch ihren Hausarzt behandelt, der individuelle Therapieziele im Rahmen einer ganzheitlichen Basisversorgung bestimmt. Vorrangiges Ziel ist es, die Lebensqualität der Patienten zu maximieren, in dem die Krankheit durch eine gesunde Ernährung, eine vermehrte körperliche Aktivität und, sofern nötig, eine medikamentöse Therapie kontrolliert wird. Sowohl das Auftreten von notfallmäßigen Ereignissen als auch die Entwicklung von Begleit- und Folgeerkrankungen sollen dadurch vermieden werden. Das DMP unterstützt den Patienten und den Arzt, die kontinuierliche Behandlung dieser chronischen Krankheit zu strukturieren.

Patienten mit besonders komplexen Formen der Krankheit benötigen eine spezialisierte Diabetesversorgung. Diese umfasst grundsätzlich alle Patienten mit Typ-1-Diabetes sowie Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes (Schwangerschaftsdiabetes ist in der Diabetesvereinbarung und nicht im DMP geregelt). Darüber hinaus ist eine spezialisierte Versorgung bei Patienten mit Typ-2-Diabetes insbesondere dann wichtig, wenn Folgeerkrankungen (z. B. diabetisches Fußsyndrom) auftreten oder wenn die vereinbarten Therapieziele nicht erreicht werden können. Diese spezialisierte Versorgung wird von diabetologisch besonders qualifizierten Ärzten erbracht, die eine geeignete weitergehende Strukturqualität aufweisen müssen. Die frühzeitige Einbindung von solchen diabetologischen Schwerpunktpraxen (DSP) dient dazu, die Krankheit rechtzeitig in den Griff zu bekommen und so die Entwicklung von schwerwiegenden Schäden, bis hin zur Amputation oder Erblindung, zu vermeiden.

Die DMP tragen nicht nur zur Aufrechterhaltung einer spezialisierten Diabetesversorgung in Bayern bei, sie stellen auch sicher, dass diese bedarfsgerecht in Anspruch genommen werden. Im Folgenden wird daher die Strukturqualität im Rahmen der DMP Diabetes mellitus Typ 1 und Typ 2 geprüft.

6.1 Methodisches Vorgehen

Bei der Bewertung der Strukturqualität werden folgende Aspekte berücksichtigt:

  1. Voraussetzungen für die Teilnahme als koordinierender Arzt: Wie wird sichergestellt, dass die am DMP teilnehmenden Ärzte eine leitliniengerechte Versorgung anbieten können?

  2. Ausreichende Versorgung durch DMP-Ärzte: Haben alle Patienten einen adäquaten Zugang zu einem koordinierenden Arzt und zu einer DSP?

  3. DMP-Koordination durch eine DSP: Welcher Anteil der DMP-Patienten wird durch eine DSP koordiniert?

  4. Mitbehandlung durch eine DSP: Welcher Anteil der Patienten wird im Laufe eines Jahres durch eine DSP behandelt?

6.1.1 Regionalität

Um mögliche Unterschiede zwischen großen Städten (z. B. München) und sehr ländlichen Bereichen (z. B. Cham) feststellen zu können, wird als Regionsmerkmal das vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung bereitgestellte Merkmal “siedlungsstruktureller Kreistyp” zugrunde gelegt. Dieser unterteilt die 96 bayerischen Landkreise und kreisfreien Städte in vier Kategorien wie folgt:2

  1. Kreisfreie Großstädte: Kreisfreie Städte mit mindestens 100.000 Einwohnern

  2. Städtische Kreise: Kreise mit einem Bevölkerungsanteil in Groß- und Mittelstädten von mindestens 50 % und einer Einwohnerdichte von mindestens 150 E./km² sowie Kreise mit einer Einwohnerdichte ohne Groß- und Mittelstädte von mindestens 150 E./km²

  3. Ländliche Kreise mit Verdichtungsansätzen: Kreise mit einem Bevölkerungsanteil in Groß- und Mittelstädten von mindestens 50 %, aber einer Einwohnerdichte unter 150 E./km² sowie Kreise mit einem Bevölkerungsanteil in Groß- und Mittelstädten unter 50 % mit einer Einwohnerdichte ohne Groß- und Mittelstädte von mindestens 100 E./km²

  4. Dünn besiedelte ländliche Kreise: Kreise mit einem Bevölkerungsanteil in Groß- und Mittelstädten unter 50 % und Einwohnerdichte ohne Groß- und Mittelstädte unter 100 E./km²

Entscheidend für die Einordnung zu einem siedlungsstrukturellen Typ ist der Praxisstandort. Der Wohnort des Patienten wird in dieser Analyse nicht berücksichtigt. Folglich sind Interpretationen der Art “X % der Patienten, die einen Arzt in einer kreisfreien Stadt aufsuchen, werden durch eine DSP behandelt” möglich, nicht jedoch Aussagen wie “X % der Patienten, die in kreisfreien Städten wohnen, werden durch eine DSP behandelt”.

6.1.2 Patientenalter und -geschlecht

Im Anschluss der Analyse nach Kreistypen werden die Daten weiter nach Patientenalter und -geschlecht aufgeteilt. Eine geeignete Visualisierung ermöglicht die Identifizierung von komplexen mehrdimensionalen Zusammenhängen.

6.1.3 Hinweis zur Vergleichbarkeit der Zahlen

Die nachfolgenden Arzt- und Patientenzahlen sind nicht identisch mit den DMP-Teilnahmezahlen des Bundesversicherungsamtes (BVA). Während die Teilnahmezahlen des BVA eine “Momentaufnahme” anstreben, werden bei der nachfolgenden Prüfung der Strukturqualität grundsätzlich alle Patienten mit Dokumentation im Jahr 2016 berücksichtigt. Ein- und Ausschreibungen im Laufe des Jahres haben als Folge, dass eine solche Periodenbetrachtung zu höheren Arzt- und Patientenzahlen führt. Zudem ist beim Vergleich zwischen den Ergebnissen zur Koordination (auf Grundlage der DMP-Dokumentationsdaten) und zur Mitbehandlung (auf Grundlage der KVB-Abrechnungsdaten) keine genaue Äquivalenz der Auswertungen möglich, da diese Datenquellen unterschiedlichen Verarbeitungsprozessen unterliegen.

6.1.4 Einschränkungen

Die vorliegende Analyse ermöglicht einen ersten Überblick über die Strukturqualität in den DMP Diabetes mellitus Typ 1 und Typ 2. Sie stellt jedoch lediglich eine Deskription der Versorgungssituation dar und belegt keine kausalen Rückschlüsse. Nicht berücksichtigt sind zum Beispiel die Kontrolle der Diabeteserkrankung, diabetesrelevante Komorbiditäten und psychosoziale Faktoren.

6.2 Anforderungen an eine spezialisierte Diabetesversorgung

Im DMP Diabetes mellitus Typ 1 und Typ 2 wird zwischen drei Teilnahmeberechtigungen für koordinierende Ärzte unterschieden:

  • Ärzte der hausärztlichen Versorgung ohne Schwerpunktbezeichnung (fortan: Hausärzte)

  • Diabetologisch besonders qualifizierte Ärzte für die Betreuung von Erwachsenen (fortan: DSP-E)

  • Diabetologisch besonders qualifizierte Ärzte für die Betreuung von Kindern und Jugendlichen (fortan: DSP-KJ).

Die Anforderungen für die Anerkennung als diabetologisch besonders qualifizierter Arzt sind im DMP-Plattformvertrag festgelegt [23]. Einerseits wird die erforderliche Qualifikation des Arztes definiert und andererseits wird eine Praxisinfrastruktur gefordert. Die wichtigsten Kriterien sind zum Beispiel:

  • die Anerkennung als Diabetologe DDG (oder äquivalente Qualifikation gemäß DMP-Vertrag) und Nachweis einer mindestens einjährigen diabetologischen Tätigkeit in einer Diabeteseinrichtung

  • die Unterstützung des Arztes durch mindestens einen qualifizierten Diabetesberater

  • die aktive Durchführung von Patientenschulungen

  • Kooperationsvereinbarungen, jeweils mit einem Podologen, einem orthopädischen Schuhmacher oder Schuhtechniker, einem Chirurg und einem Gynäkologen

  • die Behandlung von mindestens 100 Typ-2-Diabetespatienten und 25 verschiedenen Typ-1-Diabetespatienten pro Quartal im Jahr vor der Antragstellung, danach 250 Typ-2- und 35 verschiedene Typ-1-Diabetespatienten pro Quartal

  • eine geeignete Ausstattung der Praxis, zum Beispiel mit Labor für die Bestimmung des \(HbA_{1c}\)-Wertes und einem gesonderten Behandlungszimmer für Patienten mit einem diabetischen Fußsyndrom

Die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns stellt sowohl bei der Antragsstellung als auch durch eine regelmäßige Prüfung sicher, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind. Die Anerkennung als diabetologische Schwerpunktpraxis ist somit Garant für eine hochwertige Diabetesversorgung. Von dieser Strukturqualität profitieren sowohl DMP-Patienten als auch Menschen mit Diabetes, die nicht an einem DMP teilnehmen.

Die Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Diabetes mellitus ist als eigene Spezialisierung zu betrachten, da die Herausforderungen der pädiatrischen Diabetologie sich grundsätzlich von denen der Erwachsenenbetreuung unterscheiden. Aus diesem Grunde wird eine gesonderte Genehmigung für die pädiatrische Versorgung geführt, die eine entsprechende Qualifikation voraussetzt.

Im Qualitätsbericht für das Jahr 2013 wurde die regionale Erreichbarkeit der DSP überprüft. Diese ergab, dass die DSP eine gute Verteilung über die bayerischen Kreise aufweisen. Dennoch wurden vereinzelt Gemeinden identifiziert, die im Umkreis von 15 km keine DSP in der Nähe hatten.

6.3 Ärzte mit DMP-Genehmigung

In Bayern haben insgesamt 2.682 Ärzte die Berechtigung zur Koordination von Patienten im DMP Diabetes mellitus Typ 1. Davon sind 331 Ärzte (12,3 %) als diabetisch besonders qualifizierter Arzt anerkannt.

Tabelle 6.1 unterteilt diese Ärzte nach Qualifikation und Regionstyp auf. Daraus ist zu entnehmen, dass der Anteil an DSP vor allem in den acht kreisfreien Großstädten deutlich über den bayerischen Durchschnitt liegt.

Tabelle 6.1: Anzahl der koordinierenden Ärzte im DMP Diabetes mellitus Typ 1, aufgeteilt nach Qualifikation des Arztes und siedlungsstrukturellem Kreistyp des Praxisorts. (DSP: Diabetologische Schwerpunktpraxis; DSP-E: DSP für Erwachsene; DSP-KJ: DSP für Kinder und Jugendliche)
Regionstyp Koordinierende Ärzte davon DSP davon DSP-E davon DSP-KJ % DSP
Kreisfreie Großstädte 591 119 108 62 20,1
Städtische Kreise 565 72 68 42 12,7
Ländliche Kreise mit Verdichtungsansätzen 865 106 94 58 12,3
Dünn besiedelte ländliche Kreise 727 73 64 50 10,0
Bayern insgesamt 2.682 331 299 201 12,3

Am DMP Diabetes mellitus Typ 2 haben 8.308 Ärzte die Berechtigung zur Koordination. Diese sind überwiegend Hausärzte ohne DSP-Qualifikation, mit nur marginalen Unterschieden zwischen städtischen und ländlichen Regionen (Tabelle 6.2).

Tabelle 6.2: Anzahl der koordinierenden Ärzte im DMP Diabetes mellitus Typ 2, aufgeteilt nach Qualifikation des Arztes und siedlungsstrukturellem Kreistyp des Praxisorts.
Regionstyp Koordinierende Ärzte davon DSP % DSP
Kreisfreie Großstädte 1.875 116 6,2
Städtische Kreise 1.946 75 3,9
Ländliche Kreise mit Verdichtungsansätzen 2.504 107 4,3
Dünn besiedelte ländliche Kreise 2.091 73 3,5
Bayern insgesamt 8.308 332 4,0

6.4 Patienten mit DMP-Koordination durch eine DSP

Für die Bewertung der Strukturqualität im DMP ist vor allem die Sichtweise des Patienten relevant. Wichtig ist nicht im erster Linie die schlichte Anzahl der Hausärzte und DSP mit Berechtigung zur Koordination, sondern die Frage, bei welchem Anteil der Patienten im DMP Diabetes mellitus Typ 1 die Betreuung durch eine DSP erfolgt. Zur Beantwortung dieser Frage werden im folgenden Abschnitt die DMP-Dokumentationsdaten ausgewertet.

Die Tabellen 6.3 (Kinder und Jugendliche) und 6.4 (Erwachsene) zeigen für das DMP Diabetes mellitus Typ 1, welcher Anteil der im Jahr 2016 teilnehmenden Patienten durch Hausärzte und DSP-Ärzte dokumentiert wurden. Die DMP-Koordination von Kindern und Jugendlichen erfolgt fast ausschließlich durch DSP. Unter Erwachsenen liegt der Anteil an Patienten mit DSP-Koordination bei 88 %. Dabei sind relevante regionale Unterschiede festzustellen: Während in den kreisfreien Großstädten 92,8 % der Patienten durch DSP betreut werden, liegt der Anteil in dünn besiedelten ländlichen Kreisen bei immerhin noch 83,5 %.

Tabelle 6.3: Koordination der Patienten im DMP Diabetes mellitus Typ 1 (Kinder und Jugendliche) Anzahl der am DMP Diabetes mellitus Typ 1 teilnehmenden Patienten im Alter bis 17 Jahre mit Dokumentation im Jahr 2016, unterteilt nach Qualifikation des koordinierenden Arztes und dem siedlungsstrukturellen Kreistyp der Praxis.
Regionstyp Anzahl Patienten davon mit DSP-Betreuung % DSP-Betreuung
Kreisfreie Großstädte 697 695 99,7
Städtische Kreise 289 286 99,0
Ländliche Kreise mit Verdichtungsansätzen 694 685 98,7
Dünn besiedelte ländliche Kreise 531 527 99,2
Bayern insgesamt 2.191 2.176 99,3
Tabelle 6.4: Koordination der Patienten im DMP Diabetes mellitus Typ 1 (Erwachsene) Anzahl der am DMP Diabetes mellitus Typ 1 teilnehmenden Patienten im Alter von mindestens 18 Jahren mit Dokumentation im Jahr 2016, unterteilt nach Qualifikation des koordinierenden Arztes und dem siedlungsstrukturellen Kreistyp der Praxis.
Regionstyp Anzahl Patienten davon mit DSP-Betreuung % DSP-Betreuung
Kreisfreie Großstädte 9.180 8.522 92,8
Städtische Kreise 5.851 5.188 88,7
Ländliche Kreise mit Verdichtungsansätzen 8.462 7.207 85,2
Dünn besiedelte ländliche Kreise 6.052 5.055 83,5
Bayern insgesamt 29.269 25.753 88,0

Erwartungsgemäß erfolgt die Koordination der Patienten im DMP Diabetes mellitus Typ 2 vorwiegend in hausärztlichen Praxen ohne Anerkennung als DSP. Tabelle 6.5 zeigt aber, dass dieser Anteil regional unterschiedlich ist. In kreisfreien Großstädten werden 22,4 % der Patienten durch DSP koordiniert, während diese Quote in dünn besiedelten ländlichen Kreisen bei 10,1 % liegt.

Tabelle 6.5: Koordination der Patienten im DMP Diabetes mellitus Typ 2: Anzahl der am DMP Diabetes mellitus Typ 2 teilnehmenden Patienten im Alter von mindestens 18 Jahren mit Dokumentation im Jahr 2016, unterteilt nach Qualifikation des koordinierenden Arztes und dem siedlungsstrukturellem Kreistyp der Praxis.
Regionstyp Anzahl Patienten davon mit DSP-Betreuung % DSP-Betreuung
Kreisfreie Großstädte 123.788 27.771 22,4
Städtische Kreise 125.631 17.322 13,8
Ländliche Kreise mit Verdichtungsansätzen 181.426 18.485 10,2
Dünn besiedelte ländliche Kreise 153.927 15.622 10,1
Bayern insgesamt 583.060 78.961 13,5

6.5 Patienten mit Behandlung oder Mitbehandlung durch eine DSP

Erfolgt die DMP-Koordination durch einen Hausarzt ohne Anerkennung als DSP, so muss die Betreuung des Patienten in enger Kooperation mit einer DSP erfolgen (DMP-Plattformvertrag, Anlage 1c). Insbesondere muss zum Beispiel beim Auftreten von definierten Komplikationen eine Überweisung zu einer DSP stattfinden. Im Folgenden werden deswegen die Honorarabrechnungsdaten der KVB herangezogen, um auch die Mitbehandlung durch eine DSP analysieren zu können. Da die Koordination der Kinder und Jugendlichen fast ausschließlich durch DSP erfolgt, werden dabei nur Erwachsene berücksichtigt.

Es werden alle Patienten mit dem Mindestalter von 18 Jahren zugrunde gelegt, für die im Jahr 2016 eine Dokumentation im DMP Diabetes mellitus Typ 1 oder Typ 2 abgerechnet wurde. Unabhängig von der Qualifikation des koordinierenden DMP-Arztes wurde geprüft, ob diese Patienten im Jahr 2016 wegen Diabetes mellitus bei einer DSP in Behandlung waren. Tabelle 6.6 zeigt, dass bayernweit 93,2 % der am DMP Diabetes mellitus Typ 1 teilnehmenden Patienten bei einer DSP in Behandlung waren.

Tabelle 6.6: Behandlung durch eine DSP: Patienten ab 18 Jahre mit Teilnahme am DMP Diabetes mellitus Typ 1 im Jahr 2016, unterteilt nach siedlungsstrukturellem Kreistyp.
Kreistyp Anzahl Patienten davon mit DSP-Behandlung % DSP-Behandlung
Kreisfreie Großstädte 8.540 8.216 96,2
Städtische Kreise 5.628 5.220 92,8
Ländliche Kreise mit Verdichtungsansätzen 8.401 7.730 92,0
Dünn besiedelte ländliche Kreise 6.420 5.866 91,4
Bayern insgesamt 28.989 27.032 93,2

Im DMP Diabetes mellitus Typ 2 ist mit 28,2 % einen deutlich geringerer Anteil der Patienten bei einer DSP in Behandlung als im DMP Diabetes mellitus Typ 1. Die regionalen Unterschiede sind jedoch etwas stärker ausgeprägt: Während in den kreisfreien Großstädten die Quote bei 38,3 % lag, betrug sie in dünn besiedelten ländlichen Kreisen 38,3 %.

Tabelle 6.7: Behandlung durch eine DSP: Patienten ab 18 Jahre mit Teilnahme am DMP Diabetes mellitus Typ 2 im Jahr 2016, unterteilt nach siedlungsstrukturellem Kreistyp.
Kreistyp Anzahl Patienten davon mit DSP-Behandlung % DSP-Behandlung
Kreisfreie Großstädte 123.300 47.272 38,3
Städtische Kreise 124.961 33.117 26,5
Ländliche Kreise mit Verdichtungsansätzen 179.121 44.959 25,1
Dünn besiedelte ländliche Kreise 155.103 38.800 25,0
Bayern insgesamt 582.485 164.148 28,2

6.6 Aufteilung nach Patientenalter und -geschlecht

Die oben aufgeführten Ergebnisse werden nachfolgend grafisch aufbereitet. Zusätzlich werden die Ergebnisse nach Altersgruppe und Geschlecht der Patienten aufgeteilt.

Abbildung 6.1 fasst die Ergebnisse für das DMP Diabetes mellitus Typ 1 nach Geschlecht der Patienten, Altersgruppe und Regionstyp zusammen. Jedes der insgesamt zwölf Kästchen zeigt auf der x-Achse den Anteil an Patienten der entsprechenden Gruppe mit DMP-Koordination durch eine DSP (blaue Dreiecke) bzw. mit Behandlung oder Mitbehandlung durch eine DSP (rote Punkte), jeweils unterteilt nach Regionstyp (y-Achse). Daraus sind die folgenden Erkenntisse ersichtlich:

  • Mit Ausnahme der Kinder und Jugendlichen sind über alle Altersgruppen hinweg Unterschiede zwischen städtischen und ländlichen Patienten zu beobachten. Mit zunehmender Urbanisierung steigt der Anteil an Patienten, die durch eine DSP koordiniert und/oder behandelt werden.

  • Der Patientenalter ist ein weiterer wichtiger Einflussfaktor: Mit zunehmendem Alter sinkt der Anteil an Patienten mit Koordination oder Mitbehandlung durch eine DSP.

  • Der Abstand zwischen den blauen Dreiecken (DMP-Koordination) und den roten Punkten (Mitbehandlung) ist in ländlichen Regionen deutlich größer als in städtischen Regionen. Dieser Effekt wird mit zunehmendem Patientenalter größer. Ein solches Ergebnis führt zur Hypothese, dass vor allem ältere Patienten in ländlichen Regionen längere Distanzen für die regelmäßige DMP-Betreuung nicht auf sich nehmen können. Stattdessen erfolgt die DMP-Betreuung wohnortnah durch den Hausarzt, der bei Bedarf eine DSP miteinbezieht.

  • Im Vergleich zum Regionstyp und Patientenalter scheint das Geschlecht des Patienten eine eher untergeordnete Rolle zu spielen.

Koordination und Mitbehandlung durch eine DSP im DMP Diabetes mellitus Typ 1, aufgeteilt nach Regionstyp sowie Geschlecht und Altersgruppe des Patienten.

Abbildung 6.1: Koordination und Mitbehandlung durch eine DSP im DMP Diabetes mellitus Typ 1, aufgeteilt nach Regionstyp sowie Geschlecht und Altersgruppe des Patienten.

Abbildung 6.2 zeigt die äquivalente Darstellung für das DMP Diabetes mellitus Typ 2. Auch hier ist der Einfluss von Regionstyp und Patientenalter deutlich zu beobachten. Im Unterschied zum DMP Diabetes mellitus Typ 1 ist der Abstand zwischen den blauen Dreiecken (DMP-Koordination) und den roten Punkten (Mitbehandlung) einigermaßen konstant. Dies ist dadurch zu erklären, dass die Einbindung einer DSP nur in begründeten Fällen notwendig ist.

Koordination und Mitbehandlung durch eine DSP im DMP Diabetes mellitus Typ 2, aufgeteilt nach Regionstyp sowie Geschlecht und Altersgruppe des Patienten.

Abbildung 6.2: Koordination und Mitbehandlung durch eine DSP im DMP Diabetes mellitus Typ 2, aufgeteilt nach Regionstyp sowie Geschlecht und Altersgruppe des Patienten.

6.7 Zusammenfassung und Ausblick

In Bayern nehmen über 300 diabetologisch besonders qualifizierte Ärzte am DMP teil. Diese müssen nicht nur eine hohe persönliche Qualifikation nachweisen, sondern auch das Vorhandensein einer gut ausgestatteten Praxis mit qualifizierten Diabetesberatern sowie Kooperationsvereinbarungen mit anderen Fachärzten und Heilberufen. Somit ist die Anerkennung als diabetologische Schwerpunktpraxis (DSP) Garant für eine hochwertige, integrierte Diabetesversorgung.

Für die DMP-Koordination von Patienten mit Typ-2-Diabetes ist im Regelfall der Hausarzt zuständig. Eine Überweisung zu einer DSP erfolgt bei Bedarf, zum Beispiel beim Auftreten von Komplikationen, für die Teilnahme an einer Patientenschulung oder beim Nichterreichen der individuellen Therapieziele. Dennoch wird mit knapp 30 % ein relativ hoher Anteil der Typ-2-Diabetespatienten im Laufe eines Jahres durch eine DSP behandelt. Zwischen städtischen und ländlichen Regionen sind relevante Unterschiede zu identifizieren. Unklar ist, ob diese regionalen Unterschiede auch bei Patienten mit einem besonderen Bedarf an einer spezialisierten Versorgung vorhanden sind. Dies würde auf eine regional uneinheitliche Versorgungsqualität hindeuten. Die Gemeinsame Einrichtung widmet sich verstärkt der Analyse von regionalen Unterschieden in der Versorgung mit dem Ziel, diese bei der Weiterentwicklung der Programme zu berücksichtigen.

Die Betreuung der Patienten im DMP Diabetes mellitus Typ 1 hat grundsätzlich durch eine DSP zu erfolgen. Unter Kindern und Jugendlichen ist dies bei über 99 % der Patienten der Fall. Unter Erwachsenen erfolgt bei 83 % der Patienten die DMP-Koordination durch eine DSP. Insgesamt werden 88,8 % der Patienten durch eine DSP betreut. Zum Vergleich beträgt die Quote in Nordrhein 89,8 % [24]. Etwa 93 % der bayerischen Patienten werden im Laufe des Jahres durch eine DSP behandelt (ggf. auf Überweisung von einem koordinierenden Hausarzt). Die vorliegende Analyse zeigt, dass die Koordination vor allem in ländlichen Bereichen und bei älteren Patienten durch einen Hausarzt erfolgt. Möglicherweise spielen bei der Entscheidung gegen die Koordination durch eine DSP sowohl die Erreichbarkeit der DSP als auch Patientenpräferenzen eine Rolle. Die Ergebnisse legen nahe, dass einige Patienten zum Beispiel nur gelegentlich oder bei Bedarf bereit sind, einen langen Weg zur DSP zu fahren, was aus Sicht des Patienten die Koordination durch einen Hausarzt rechtfertigen könnte. Gerade bei solchen Patienten sind die Überweisungsregeln im DMP zu beachten. Die Gemeinsame Einrichtung prüft deswegen, inwieweit die Bedürfnisse der durch Hausärzte betreuten Patienten im DMP-Feedbackbericht zukünftig besser berücksichtigt werden könnten. Da die derzeitige Gestaltung des Feedbackberichts auf die Bedürfnisse der DSP ausgerichtet ist, ist er für Hausärzte mit wenigen Patienten häufig weniger informativ. Um auch für die Hausärzte einen höheren Informationsgehalt zu schaffen, könnte zum Beispiel näher auf Überweisungsregeln eingegangen und der Hausarzt durch entsprechende Auswertungen unterstützt werden.

Literatur

23 DMP-Plattformvertrag Bayern. Kassenärztliche Vereinigung Bayerns http://www.kvb.de/praxis/rechtsquellen/rechtsquellen-bayern/d/dmp-diabetes-mellitus-2/

24 Groos S, Kretschmann J, Macare C, Weber A, Hagen B. Qualitätssicherungsbericht 2016 Disease-Management-Programme in Nordrhein. Düsseldorf: Nordrheinische Gemeinsame Einrichtung, 2017 https://www.kvno.de/downloads/quali/qualbe_dmp16.pdf